Barbara (34), Autorin, aus Wien empfiehlt „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow.

1. Worum geht es für dich in dem Buch?
Moskau, zu Beginn der 1930er Jahre: Ein ominöser Fremder mischt sich in das Gespräch zweier überzeugter Atheisten ein. Während der Lyriker Besdomny und der staatstreue Kritiker Berlioz am Ufer der Patriarchenteiche über die poetologischen Mittel zur Beglaubigung der Nicht-Existenz Jesu Christi streiten, sucht sie der Teufel höchstpersönlich heim. Voland, getarnt als Professor für Schwarze Magie, entpuppt sich als vehementer Fürsprecher Gottes und sorgt im stalinistischen Staat für irdische Gerechtigkeit. Besdomny wird zum Zeugen seiner magischen Handlungen und trifft in der Psychiatrie auf den eigentlichen Helden des Romans: einen Historiker, genannt „der Meister“, dessen Roman über Pontius Pilatus der Zensur zum Opfer fiel. Seine Geliebte Margarita wird er erst am Ende wiedersehen: in seinem Text, der durch Volands Worte Wirklichkeit wird.

2. Warum empfiehlst du dieses Buch?
„Der Meister und Margarita“ ist ein Roman im Roman, eine Gesellschaftssatire, eine Liebesgeschichte und eine „Faust“-Parodie. Barbarei und Unvernunft offenbaren sich als Kehrseiten eines ursprünglich auf Befreiung angelegten, politischen Projekts; nicht Gott, sondern nur sein engster Verwandter kann die wahnsinnig gewordene Wirklichkeit wieder zurechtrücken. Er tut es unter Einsatz sämtlicher Tricks: des Grotesken, Phantastischen, Fabelhaften und Verrückten – im Sinne einer inversen Welterschaffung, bei der die Fiktion über die Schwerkraft der Verhältnisse triumphiert. Gerade weil sie den Glauben an diese andere Realität nie verloren haben, können Margarita und der Meister ‚erlöst‘ werden – mithilfe der profanen Mittel, die nur die Literatur, nicht aber die Geschichte kennt.

3. Du hast den letzten Satz gelesen, schlägst das Buch zu. Was bleibt?
Der bedingungslose Glaube an die ‚Wahrheit‘ der Literatur – auch im Sinne einer messianischen Hoffnung; und viele, offene Fragen: Glauben, an das, was ist? An diesen Kapitalismus, diese ‚Demokratie‘? Schreiben, um gerade nicht daran zu verzweifeln – im Sinne eines fröhlichen, faustischen Pakts!

4. An welchem Ort hast du das Buch überwiegend gelesen?
Gelesen habe ich das Buch mehrmals – zuerst in der Schulbibliothek und, viele Jahre später, neu übersetzt von Alexander Nitzberg. Damals saß ich am Bahnhof von Jerewan und wartete auf einen Zug, der niemals kam – trotzdem bin ich weit gereist.

Michail Bulgakow. Der Meister und Margarita. 1966.

Foto: Neil Curtis